Entwicklung psychischer Funktionen – Projektbeschreibung

Verarbeitung von Verlusterfahrungen (Trauerfall, Trennung) bei Erwachsenen im Kontext von Emotionswahrnehmung, Emotionsregulation und autobiographischer Gedächtnisfunktion

In diesem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt möchten wir untersuchen, welche Faktoren zur Verarbeitung von Verlusterfahrungen – d.h. Trauerfällen und Trennungen – beitragen und welche diese Verarbeitung erschweren. Außerdem soll erforscht werden, inwieweit z.B. das Erleben und Wahrnehmen von Gefühlen sowie der Umgang mit Gefühlen die Verarbeitung beeinflussen oder aber durch eine mangelnde Verarbeitung geschwächt werden. Eine weitere Forschungsfrage ist die Bedeutung der Gedächtnisfunktion für die Verarbeitung von Verlusterfahrungen.

Hintergrund

Die Bewältigung eines Verlusts – sowohl durch Trennung aus einer bestehenden Partnerschaft, als auch durch den Tod einer nahestehenden Person – stellt häufig eine große Herausforderung dar, da viele verschiedene Bereiche gleichzeitig angesprochen sind. Es geht um den Umgang mit dem Verlust auf emotionaler, aber auch auf praktischer Ebene, um den Umgang mit neuen Situationen und um das Akzeptieren der Realität des Verlusts. Je nach den Besonderheiten des Verlusts und je nach den persönlichen Eigenschaften des oder der Betroffenen können dabei ganz unterschiedliche Themen im Vordergrund stehen.
In der psychologischen Forschung existieren verschiedene Methoden zur Feststellung des „Verarbeitungsstatus“ einer Person hinsichtlich eines Verlusts. Im Kontext der Bindungsforschung, die in der entwicklungspsychologischen Forschung an der FAU nun bereits lange Tradition hat, wird das Erwachsenenbindungsinterview – im englischen Original das Adult Attachment Interview (AAI) – verwendet, um einerseits Beziehungserfahrungen in verschiedenen Lebensphasen sowie Verlusterfahrungen und deren psychischen Verarbeitungsstand (State of Mind) zu erfassen. Hier wurden in den letzten Jahren mit dem Bindungsstatus „Unverarbeiteter Verlust“ zwei wichtige Hauptbefunde wiederholt berichtet: In Gruppen, die durch psychische Schwierigkeiten oder Störungen belastet sind, finden sich besonders häufig Menschen mit dem im AAI festgestellten „Unverarbeiteten Bindungsstatus“, und die Kinder von Eltern mit Unverarbeitetem Bindungsstatus neigen zu größeren Schwierigkeiten in der Bindungs- und Beziehungsentwicklung sowie in der psychosozialen Anpassung. Deshalb ist es wichtig, zu untersuchen, welche psychischen Bereiche besonders für die Verarbeitung von Verlusterfahrungen „zuständig“ sind. Aus bisheriger Forschung gibt es Hinweise, dass hier die Bereiche des autobiographischen Gedächtnisses, der Emotionswahrnehmung und der Emotionsregulation besonders relevant sind. Vereinzelt wurde auch gefunden, dass frühe Belastungserfahrungen die Verarbeitung von kritischen Lebensereignissen im Erwachsenenalter erschweren, doch hier ist die Befundlage uneinheitlich.

Die aktuelle Studie

Die am Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie durchgeführte Studie ist international die erste Studie, die bei Erwachsenen nach Verlusterfahrung diese drei Bereiche gleichzeitig und über einen längeren Zeitraum, d.h. über ein Jahr, untersucht. Außerdem soll der Einfluss früher Belastungserfahrungen auf psychische Funktionsbereiche sowie auf die psychische Anpassung nach einer Verlusterfahrung überprüft werden und untersucht werden, inwieweit soziale / emotionale Unterstützung unmittelbar nach dem Verlusterlebnis die Verarbeitung begünstigt.

Die laufende Studie gliedert sich in zwei Teile:

a) Längsschnittstudie mit Erwachsenen nach Trennung und/oder Trauerfall
Hierfür wurden im Jahr 2014 bei insgesamt 120 Personen im Alter von ca. 25 bis 60 Jahren, die in den vorhergehenden vier Jahren eine nahestehende Person durch Tod oder Trennung verloren hatten, mit der wissenschaftlichen Begleitung der Verarbeitung dieses kritischen Lebensereignisses begonnen. Dabei wurden zunächst die angenommenen Prädiktoren, nämlich Kindheitserfahrungen, Emotionsregulationsfähigkeit, Emotionswahrnehmung und autobiographische Gedächtnisfunktion, erfasst.
Ein Jahr später werden derzeit die drei im Fokus stehenden psychischen Funktionsbereiche (Emotionswahrnehmung, Emotionsregulation und autobiographisches Gedächtnis) nochmals erfasst, sowie das Adult Attachment Interview, ein ca. einstündiges halbstandardisiertes Interview zu Beziehungs- und Verlusterfahrungen, durchgeführt.

b) Querschnittstudie mit Eltern nach Trennung
Um zusätzlich zum Kontext der erwähnten psychischen Funktionen die Zusammenhänge mit der Erziehung und Entwicklung von Kindern nach Trennung der Eltern zu untersuchen, wird derzeit eine Gruppe von Eltern neu in die Studie aufgenommen, die in den letzten sechs Jahren eine Trennung aus einer Partnerschaft erlebt haben. Diese Gruppe wird nur einmal untersucht, jedoch wird bei dieser Gruppe zusätzlich die Belastung in der Elternrolle sowie Stärken und Probleme der Kinder erfasst. Dies geschieht, um neue Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen Verarbeitungsstand von Eltern bzgl. ihrer Trennungserfahrung einerseits und ihrem Belastungserleben in der Elternrolle zu gewinnen.

Zielsetzung

Das übergeordnete Ziel der Studie ist es, die als relevant identifizierten Bereiche für Verarbeitung und Belastungserleben (allgemein und in der Elternrolle) in die Angebote von trauer- und trennungsbegleitenden beratenden und/oder therapeutischen Interventionen zu integrieren, und so gezielt die Bereiche zu stärken, die eine gelingende Trauer- und Trennungsarbeit ermöglichen. Damit sollen Personen, die bei der Bewältigung von Verlusterfahrungen Schwierigkeiten haben, bestmöglich unterstützt werden können.

Projektleitung:

Dr. Johanna Behringer
Prof. Dr. Gottfried Spangler

Projektteam:

Johannes Heider
Max Sigl
Kim Stellmann
B.Sc. Christina Deller
B.Sc. Julia Gropper
B.Sc. Svenja Limpert
Sabrina Huth
Franziska Orthuber
B.Sc. Hannah Braun
B.Sc. Carola Walther
B.Sc. Ines Borysiak
B.Sc. Verena Bauernschmitt
Maria Mießl
Christine Bühler
B.Sc. Juste Staponkute
Joana Laux
Julia Beese

Ehemalige im Projekteam:

B.Sc. Denise Keller
Regina Meinel
B.Sc. Yanitsa Neykova
B.Sc. Elena Postpischil
B.Sc. Carla Schwarz
B.Sc. Pia Semmler
B.Sc. Florian Mirlach

Drittmittelfinanzierung: DFG BE 4781/3-1 und SP 312/20-1

Kooperationen:

Prof. Pasco Fearon & Prof. Chris Brewin, University College London, Großbritannien
Prof. Judith Crowell, Harvard University, Boston, USA